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Neue Verbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Ist nach der Rücknahme des Antrages auf Restschuldbefreiung ein erneuter Antrag ohne Sperrfrist möglich?

Sofern ein Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO bspw. infolge einer wirtschaftlichen Rezession neue Verbindlichkeiten begründet, die er nicht zurückführen kann, würden diese von der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, erfasst diese die bis zur Verfahrenseröffnung begründeten Verbindlichkeiten. Gleichzeitig wird der Schuldner nach § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO für elf Jahre daran gehindert, einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung für die dazugekommenen Verbindlichkeiten zu stellen.

Es stellt sich die Frage, ob der Schuldner vor Erteilung der Restschuldbefreiung den Antrag hierauf zurücknehmen und in einem Folgeverfahren einen erneuten Antrag stellen kann, sodass er auch von neuen Verbindlichkeiten befreit wird.

 

Kein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung

 

In der Insolvenzordnung ist, im Gegensatz zur Rücknahme des Insolvenzantrags, keine gesetzliche Regelung zu der Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung zu finden. Stattdessen finden die Verfahrensvorschriften über die Rücknahme einer Klage aus der Zivilprozessordnung Anwendung, § 4 InsO, § 269 ZPO.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Restschuldbefreiung nicht nur vor der Eröffnung des Verfahrens, sondern auch nach dessen Eröffnung bis zum Beginn des Schlusstermins zurückzunehmen. Die Rücknahme ist jedenfalls analog § 269 Abs. 1 ZPO, § 13 Abs. 2 InsO unzulässig, wenn das Insolvenzgericht bereits über einen Versagungsantrag entschieden hat (BGH, Beschluss vom 22.09.2016 - IX ZB 50/15 und BGH, Beschluss vom 14.6.2018 – IX ZB 43/17). Nach zutreffender Ansicht ist die Rücknahme aber bereits dann unzulässig nach Behandlung des Versagungsantrags im Schlusstermin.

In der Wohlverhaltensperiode kann der Schuldner somit das Recht zur Antragsrücknahme nur ausüben, solange noch kein Gläubiger einen begründeten und spruchreifen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gemäß §§ 296–297a InsO gestellt hat. Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Schuldner seine Obliegenheiten der Wohlverhaltensperiode verletzt hat. Eine nachfolgende Rücknahme des Antrags würde den Interessen des Antragstellers auf Versagung zuwiderlaufen, da der Schuldner die dreijährige Sperrfrist des § 287a Abs. 2 InsO umginge und eine erneute Restschuldbefreiung erwirken würde.

 

Neue Verbindlichkeiten, ab wann droht die Versagung?

 

Für die Begründung neuer Verbindlichkeiten während der Wohlverhaltensphase kommt als Versagungsgrund höchstens § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO in Frage. Dazu müsste der Schuldner unangemessene Verbindlichkeiten begründen und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigen. Wann dies vorliegt, ist immer einzelfallabhängig. Die Beurteilung der Angemessenheit dieser Verbindlichkeiten erfolgt anhand der konkreten Lebenssituation des Schuldners. Hierbei werden auch die Bedürfnisse berücksichtigt, die sich aus seiner beruflichen Tätigkeit ergeben.

Luxuriöse Ausgaben erfüllen das Kriterium der Vermögensverschwendung genauso wie jede Verwendung des Vermögens, die nicht nachvollziehbar ist, wie zum Beispiel die Fortsetzung eines für die Situation des Schuldners unangemessenen Lebensstils. Der Tatbestand kann erfüllt sein, wenn es offensichtlich ist, dass das Verhalten des Schuldners im Hinblick auf die Gläubiger missbräuchlich ist und den Gläubigerinteressen schadet.

Sollten diese Tatbestandsmerkmale vorliegen und stellt ein Gläubiger einen Versagungsantrag ist eine Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags nicht mehr möglich.

 

Führt die Rücknahme des Antrages auf Restschuldbefreiung zu einer Sperrfrist?

 

Es stellt sich die Frage, ob die Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung eine Sperrfrist nach § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO analog nach sich ziehen können. In bestimmten Fällen ist es dem Schuldner nach einer Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags untersagt ein neues Verfahren zu beginnen. Eine gewisse Rechtsunsicherheit resultiert aus der Einführung von § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (GIRStG) im Jahr 2014. Es herrschte Uneinigkeit darüber, ob die dreijährige Sperrfrist auch auf Fälle anwendbar ist, in denen der Schuldner den Restschuldbefreiungsantrag zurückzieht, nachdem neue Verbindlichkeiten begründet wurden – nicht, um einer Versagung der Restschuldbefreiung zu entgehen, wie in § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO genannt.

Vor der Einführung dieser Vorschrift führte die Begründung neuer Verbindlichkeiten und die anschließende Rücknahme des Antrags zu einer dreijährigen Sperrfrist für neue Restschuldbefreiungsanträge, da dies als unzulässiger Missbrauch des Insolvenzverfahrens betrachtet wurde, um bewusst finanzielle Risiken auf andere abzuwälzen (BGH, Beschluss vom 20.3.2014 – IX ZB 17/13).

Allerdings bezieht sich § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO nur auf die dreijährige Sperre bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten, unrichtigen oder unvollständigen Angaben, sowie Verletzung der Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO. Die Begründung neuer Verbindlichkeiten, wie es § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorsieht, wird nicht explizit erwähnt.

Die Möglichkeit einer Orientierung an der Rechtsprechung des BGH zur Altfassung der Insolvenzordnung, bei der gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. analog eine dreijährige Sperrfrist bei rechtsmissbräuchlichem Rückzug des Antrags eingriff, könnte als konsequenteste Lösung erscheinen. Die Realisierbarkeit dieses Ansatzes ist jedoch fraglich, da dies bedeuten würde, dass die bisherige Rechtsprechung zur Sperrfrist, die der Gesetzgeber nicht mehr beibehalten wollte, über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus fortgesetzt wird. Es stellt sich daher die Frage, ob ein solcher Weg im Einklang mit den intendierten Gesetzesänderungen steht und möglicherweise den ursprünglichen Zielen des Gesetzgebers zuwiderläuft.

Die vorinstanzlichen Gerichte haben keine Einigung über eine konsequente Analogie erzielt. Während das LG Baden-Baden von einer abschließenden Regelung des § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO ausgeht und von einer analogen Anwendung abrät (LG Baden-Baden, Beschluss vom 10.12.2015 − 2 T 77/15), halten das AG Hamburg und AG Fürth alle Unzulässigkeitsfälle für ausreichend, um eine Sperrfrist für eine erneute Restschuldbefreiung auszusprechen, und bleiben bei der Sperrfristrechtsprechung des BGH (AG Hamburg, Beschluss vom 19.2.2015 – 68 c IK 3/15; AG Fürth, Beschluss vom 13.01.2016 - IN 581/15).

Der BGH stellte knapp drei Jahre nach Einführung der Vorschrift jedoch klar, dass eine Analogie der Sperrfristen nun ausgeschlossen sei, da der Gesetzgeber nicht hätte deutlicher abschließend sein können (BGH, Beschluss vom 4.5.2017 – IX ZB 92/16). Damit ist festzuhalten, dass die Rücknahme des Antrags aufgrund neuer Verbindlichkeiten keine Sperrfrist nach sich zieht und somit nach der Rücknahme ein erneuter Restschuldbefreiungsantrag gestellt werden kann.

 

Rechtsfolgen der erfolgreichen Antragsrücknahme

 

Liegt kein zulässiger und begründeter Versagungsantrag eines Gläubigers vor und ist der Antrag auf Restschuldbefreiung erfolgreich zurückgenommen worden gelten die Rechtsfolgen des § 299 InsO. Diese Vorschrift sieht das Ende der Abtretungsfrist, das Erlöschen des Amts des Treuhänders und die Aufhebung der Beschränkungen der Gläubigerrechte vor.

Mit dem Wegfall der Beschränkung der Gläubigerrechte sind diese nicht mehr den Restriktionen gemäß § 294 InsO unterworfen. Eine Zwangsvollstreckung wird somit wieder möglich. Darüber hinaus steht das uneingeschränkte Nachforderungsrecht gemäß § 201 InsO mit der Rechtskraft der Versagungsentscheidung den Gläubigern wieder zu. Der Schuldner ist somit erneut verpflichtet, seine Verbindlichkeiten in vollem Umfang zu erfüllen. Als Vollstreckungstitel für die Forderungen der Gläubiger dient ausschließlich die Eintragung in die Tabelle, § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO.

Mit der Beendigung des Treuhänderamtes entsteht die Pflicht zur Rechnungslegung gemäß § 292 Abs. 3 Satz 1 InsO. Der Treuhänder ist dazu verpflichtet, die Abwicklung vollständig durchzuführen und eingegangene Beträge aufgrund der Abtretung an die Gläubiger zu verteilen, sofern er sie vor dem Ende der Abtretung erhalten hat. Andernfalls hat er sie an den Schuldner als den Forderungsinhaber auszuzahlen. Der Treuhänder hat zudem Anspruch auf Vergütung und Erstattung angemessener Auslagen, § 293 InsO.

 

Zusammenfassung

 

Im Insolvenzverfahren kann der Antrag auf Restschuldbefreiung bis zum Beginn des Schlusstermins zurückgenommen werden. Die Rücknahme ist jedoch gesetzlich nicht geregelt.

Die Begründung neuer Verbindlichkeiten in der Wohlverhaltensperiode gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO könnte dazu führen, dass ein Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung vorliegt, was die Rücknahme des Antrags ausschließt. Die Angemessenheit dieser Verbindlichkeiten spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die dreijährige Sperrfrist nach § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO besteht gemäß Rechtsprechung nicht bei der Begründung neuer Verbindlichkeiten, die nicht unangemessen im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO sind. Da jeder Fall individuell beurteilt werden muss, ist es immer ratsam, rechtlichen Rat einzuholen.

Rücknahme Antrag Restschuldbefreiung von Rechtsanwalt Soeren Eckhoff - Rechtsanwalt Insolvenzrecht Bremen und Berlin

Über den Autor

Rechtsanwalt Soeren Eckhoff – spezialisiert auf die Bereiche Insolvenzrecht und Sanierung

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